Thüringen hat eine große Verantwortung für die Erhaltung einiger Lebensraumtypen der FFH Richtlinie, auch bundesweit. Insbesondere trifft dies auf Kalkmagerrasen, Steppenrasen und Streuobstweisen zu. Der Erhalt des ökologischen Wertes dieser Flächen erfordert die Bewirtschaftung/Beweidung durch Schafe und Ziegen. Der Umfang des schafbeweidungsabhängigen Grünland in Thüringen beträgt ca. 25.000 Hektar.
Wiederinwertsetzung Thüringer Schafwolle
1. Fachlicher Hintergrund
Die Zahl der schafhaltenden Betriebe und damit der Schafbestandszahlen sinkt in Thüringen seit Jahren kontinuierlich. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig, aber primär in den ökonomischen Rahmenbedingungen zu sehen. Von allen Betriebszweigen der Landwirtschaft haben Schäfereibetriebe mit Abstand die geringsten Einkommen. Die Arbeitsbelastung ist hingegen – auch aufgrund der geringen Mechanisierungsmöglichkeiten – sehr hoch.

Wirtschaftliche Bedeutung der Wollproduktion in Deutschland
Die wirtschaftliche Bedeutung der Wollproduktion in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten erheblich abgenommen, ja sie ist nahezu bedeutungslos. Gründe hierfür sind der Siegeszug von Baumwolle und synthetischen Fasern, der von Neuseeland und Australien dominierte Weltmarkt und die stark gestiegenen Produktionskosten in der Schafhaltung. Die Wolle trägt praktisch nicht mehr zum Betriebseinkommen bei.
Neben diversen Unterstützungszahlungen (z.B. Direktzahlungen, KULAP, Tierprämie) hat sich deshalb die Lämmerproduktion zur wichtigsten Einnahmequelle für die schafhaltenden Betriebe entwickelt. Entsprechend wurde das Produktionssystem Schaf auf diesen Betriebszweig ausgerichtet – angefangen von der Zuchtwertschätzung über die Leistungsprüfung bis zur Optimierung der Muttertierhaltung.

Fehlende Verwertungsmöglichkeiten für Wolle
Die unübersehbaren Probleme in der Thüringer Schafhaltung (u.a. permanenter Rückgang der Bestände) haben ihre Ursachen auch in den fehlenden Verwertungsmöglichkeiten des Hauptproduktes des Schafes - der Wolle. Inzwischen kostet die Schafschur mehr, als der der Wollverkauf einbringt. Wolle ist also ein "Minusgeschäft" und belastet die einheimischen Schäfereien sehr.
2. Wiederinwertsetzung regionaler Wolle
Wolle ist eigentlich ein regionaler, nachwachsender Rohstoff mit hervorragenden Eigenschaften. Sie muss wieder in Wert gesetzt werden, um die Schafhaltung mit ihren vielfältigen Funktionen zu erhalten.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die Wieder-Inwertsetzung der Wolle erfolgt über vielfältige Einsatzmöglichkeiten und folgt dem Prinzip, wonach die jeweiligen Qualitäten zum Produkt mit dem höchsten Wertschöpfungspotential verarbeitet werden sollten.
(Sortierung beginnend von höchste → niedrigste Qualität / Erlöse)
- hochwertige Textilien (Unterbekleidung)
- hochwertige Textilien (Oberbekleidung)
- Textilien (Loden)
- Textilien (Innenfutter)
- Composites (mit hochwertigen Natur-Fasern/Schafwolle: hohe Elastizität und Bruchfestigkeit)
- Vliese (Textilbereich, Innenarchitektur, GaLaBau, Tierwohl,…)
- Baustoffe (Dämmung, Verbundstoff,…)
- Tiereinstreu und Beschäftigungsmaterial
- Dünger
Einheimische Wolle wird seit Jahrzehnten verdrängt durch Billigimporte aus Australien, Neuseeland und Südamerika. Um das zu ändern, engagiert sich der Thüringer Schafzuchtverband e.V. gemeinsam mit weiteren Aktivisten/innen in den letzten Jahren für die Wieder-Inwertsetzung der einheimischen Schafwolle.

Inzwischen hat sich viel getan:
Wollsortierung bei der Schafschur, Qualitätsbestimmung durch Vermessen der Wolle, Wollwäsche und Verarbeitung zu Garn und Strickwarenherstellung sind soweit vorbereitet, dass wir uns an die erste kleine Kollektion wagen können. Erste Versuche dazu wurden im Rahmen des 30. Thüringer Schäfertag am 10. August in Hohenfelden präsentiert.
